Donnerstag, 16. Mai 2019

Interview: Von der äusseren zur inneren Ordnung

Ursprünglich ist Manuela Höfner Steuerfachwirtin. Daneben ist sie Leserin, die mit Leidenschaft ausprobiert, ob das, was sie in den Büchern erfährt, praxistauglich ist. Heute begleitet sie hauptsächlich Menschen dabei, nicht nur ihre Buchhaltung und ihre Zahlen in Ordnung zu bringen, sondern grundsätzlich aufzuräumen. Sie hilft ihnen, in ihrem Leben zu mehr Klarheit, Freiraum und Selbsterkenntnis zu kommen und damit nicht nur eine äußere, sondern auch eine innere Ordnung zu finden. Wenn wir innerlich aufgeräumt sind, so sagt sie, dann tragen wir in uns selbst und global zum Frieden bei. 

Liebe Manuela Höfner, wie kamen Sie von den Zahlen zu den Menschen? 

Während meiner Zeit im Steuerbüro hatte ich viele Künstler als Mandanten. Ich liebe Kunst und sie bereichert mich. Daher war ich an der Arbeit meiner Mandanten sehr interessiert. Einige erzählten mir, wie viel Zeit sie für die Vorbereitung der Unterlagen und für Ihre Buchführung und Steuererklärung benötigten. Mein spontaner Ausruf war, dass sie dann ja 2 Wochen keine Zeit für die Ausübung Ihrer Kunst hätten! Das fand ich sehr schade und vor allem: Das lässt sich ändern. So begann ich nachzufragen, wie sie zu Hause ihre Papiere und sich selbst organisieren. Gemeinsam erarbeiteten wir dann Lösungen und meine Kunden kamen immer freudiger und pünktlicher in das Steuerbüro. So waren alle zufrieden und glücklich. 

In der Präsentation Ihrer Arbeit sagen Sie, dass Sie nicht für andere arbeiten, sondern mit ihnen. Wie ist das zu verstehen? 

Dazu möchte ich gerne eine Geschichte aus dem Steuerbüro erzählen. Ich hatte eine Mandantin, die zu mir sagte, „Ich habe volles Vertrauen in Ihre Arbeit, sie machen das schon für mich. Ich kann mich auf sie verlassen.“ Als junger Mensch fand ich es großartig, das mir jemand so viel Vertrauen entgegen bringt und ich kam mir sehr wichtig vor. Eines Freitags war ich dabei, ihre Steuererklärung zu bearbeiten und konnte die Abbuchung Ihrer Unfallversicherung in der Buchführung nicht finden. Ich rief sie an und bat sie, diese zu Hause zu suchen. Am Montag rief sie mich voller Empörung an, sie hätte aus Angst davor, bei einem Unfall nicht versichert zu sein, das ganze Wochenende keinen Fuß vor die Tür gesetzt. Durch dieses Erlebnis habe ich erkannt, wie wichtig es ist, dass jeder für sich selbst Verantwortung übernimmt. 

Ein weiteres Beispiel kommt aus meiner jetzigen Tätigkeit als Aufräumberaterin. Eine Klientin bat mich, mit ihr aufzuräumen. Nach 2 Stunden sagte Sie: “Bitte machen Sie alleine weiter. Ich habe noch anderes zu tun.“ Ich antwortete: „Ich kann nicht für Sie aufräumen, weil ich nicht für Sie die Entscheidung treffen kann, was bleiben und was gehen soll. Ich kann nur mit Ihnen aufräumen und Sie dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen für sich selbst zu treffen.“ 

Wie gelingt es Ihnen, die Menschen in Bewegung zu setzen? 

Durch Visonsarbeit. Als ersten Schritt erarbeiten der Klient und ich zusammen eine tragfähige Vision / Motivation für sie/ihn, die stark genug ist, die alten Glaubenssätze auszuhebeln. Nach dem Motto: Glauben versetzt Berge. Als zweiten Schritt ermuntere ich die Menschen, mit meiner Unterstützung in kleinen überschaubaren Schritten das Aufräumen auszuprobieren. Sobald meine Klienten sehen, dass ihnen selbst das Aufräumen gelingt und die „Aufräumenergie“ sie ergreift, ist das Schwerste geschafft und das Aufräumen wird zum Selbstläufer. 

Sie arbeiten unter anderem nach den Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg. Inwiefern können diese hilfreich sein, zu mehr Klarheit in sich zu gelangen? 

Beobachten ohne zu bewerten, Gefühle wahrnehmen, sie benennen und Verantwortung für sie übernehmen, Bitten um das, was wir brauchen – das hilft, sich die Situation neu anzuschauen und zu sehen, wo man feststeckt, projiziert, etc. Ich nenne das für mich Realitätscheck. Ist die Situation wirklich so, wie ich es wahrnehme? Sehe oder fühle ich noch andere Aspekte, die ich vorher so nicht wahrgenommen habe? 

Sie arbeiten ehrenamtlich als Trauer- und Sterbebegleiterin. Wie fließen diese Erfahrungen in Ihre Arbeit als Aufräumexpertin hinein? 

Leben ist Veränderung. Manchmal gibt es große Veränderungen und dann braucht es ein entsprechend großes Aufräumen, zum Beispiel wenn Paare zusammenziehen oder sich trennen oder wenn einer der Partner stirbt. Das geht einher mit Abschied nehmen von Vertrautem, Einmaligem, Liebgewonnenen. Das kann hart und schwer sein. Damit wir uns weiterentwickeln und die nächsten Lebensphasen nach einer Veränderung auch wieder freudvoll erleben können, gehört das Abschied nehmen und Trauern dazu. Dies fällt uns allen schwer und da ist es gut zu wissen, wie Menschen sich in solchen Situationen fühlen können und was sie brauchen, um durch diesen Prozess hindurch zu kommen. 

Am Ende jeder Aufräumaktion steht bei Ihnen ein Fest. Wie sieht das in der Praxis aus? 

Ich ermutige meine Klienten nach der Aufräumaktion dazu, mit Freunden oder der Familie zu feiern. Ich nehme auch gerne daran teil, um zu bezeugen, was für eine herkulische Arbeit sie in dieser Zeit geleistet haben. Es soll am Ende eine gute Erinnerung an diese Zeit bleiben. Das Fest dient auch als Anker für Zeiten, wo es anders sein könnte. YEAH - ich habe es schon mal geschafft und ich werde es wieder schaffen. 

Ich nehme an, Sie lesen immer noch viel. Welches sind für Sie heute Autoren, die wegweisend sind, zu mehr innerer Ordnung zu gelangen? 

Diese Frage finde ich schwierig zu beantworten, weil für jeden Menschen andere Autoren wegweisend sind. Ich kann nur für mich sprechen und davon, was mich aktuell inspiriert. Das Buch von Stephen Batchelor „Mit dem Bösen leben. Warum wir das Gute wollen und immer wieder das Böse tun“ handelt davon, wie wir auf den Weg der Liebe zurückfinden können. Diese innere Ausrichtung als tägliche Übung finde ich für mich sehr hilfreich, um innerlich aufgeräumt zu bleiben. „Das Buch der Trauer“ von Jorge Bucay hilft mir daran zu denken, dass alles endlich ist und dass das Festhalten an Wut und Groll nicht weiterhilft. Meine Standardlektüre ist seit Jahren der „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe und „Die Kunst des Liebens“ von Erich Fromm. 

Liebe Manuela Höfer, ich danke Ihnen für diesen Austausch und wünsche Ihnen und uns, noch viele Inspirationen und Ermutigungen für die innere Aufräumarbeit zu bekommen.