Der Kampf ist unentschieden.
Seit Stunden schlagen sich die beiden Gegner, erbittert, die schmerzverzerrten Gesichter
hinter Masken versteckt, die bebende Brust hinter schweren Schildern verborgen.
Beine weichen aus und treten zu, Arme holen zum Schlage aus, so weit es die
engen Rüstungen zulassen. Schweiß rinnt in Strömen, vermischt sich mit Blut, dringt
in den Boden und verwandelt das Schlachtfeld in einen schmierigen Morast.
Wer wird die
Schlacht gewinnen? Die Kämpfenden sind geschickte und erfahrene Krieger. Keiner
will dem anderen unterlegen sein. Sie werfen einander ihre Spitzen zu und
treffen dort, wo es besonders schmerzt. Scharf brennen sich die Verletzungen in
die Haut der Gegner. Ein Mal, zwei Mal, zehn Mal scheint der Kampf zu Ende, doch
immer wieder treffen neue Schläge und neue Spitzen die empfindliche Haut des
anderen.
Was war der Grund
der Auseinandersetzung? Niemand erinnert sich mehr daran. Ein Wort vielleicht,
eine Geste haben ausgereicht, den anderen zum Täter und sich selbst zum Opfer
zu machen. Er war’s! Er hat angefangen, hat beleidigt, missachtet, provoziert. Fehdehandschuhe
wurden aufgenommen, Rüstungen angelegt und Waffen ergriffen.
Die zerteilende
Hand der Zwietracht, die die Sinne zu täuschen und die Herzen zu verschließen
weiß, hält die Gegner eisern umklammert. Sie sehen nicht den Himmel über ihren
Köpfen, erkennen nicht die Schaulustigen um sie herum, noch die Strippenzieher
im Hintergrund: die eigentlichen Gewinner. Wer auch immer den Kampf für sich
entscheiden wird - die Macht der
Arrangeure wird wachsen und sich immer mehr dort ausdehnen, wo Fehde und Streit
die Menschen trennen.
„Misstrauet
einander!“ rufen die in die Menge, die aus Konflikt Profit zu schlagen wissen. „Glaubt
dem anderen nicht! Seht ihr nicht, wie er eure Ehre missachtet und euer
Verderben vorantreibt? Wehrt euch! Nehmt die Waffen: Hier!“ Fliegende Händler
ziehen durch die gaffende Menge und bieten Heilversprechendes feil. Ihre Börsen
füllen sich im Rhythmus der ausgeteilten Schläge, während die Streithähne nichts
davon ahnen, dass sie beide für den Suppentopf bestimmt sind.
In dem Moment, als
einer der Gegner, das Gesicht von Schmerzen verzerrt und der Körper von
unzähligen Wunden gequält, mit letzter Kraft zum finalen Schlag auszuholen sucht,
geschieht das Unerwartete. Eine Feder, ein heller Flaum noch, frisch, leicht
und eben erst einem schützenden Gefieder entflogen, schwebt in die Kampfszene
hinein. Zart wie ein Hauch bahnt sie sich ihren Weg an den um Sieg Ringenden
vorbei, kaum spürbar ist ihre Bewegung, als sie durch die aufgeladene Atmosphäre
gleitet, bis sie schließlich auf den Grund des Schlachtfeldes niedersinkt, so als
setzte sie dem dunklen, von Schweiß und Blut durchtränktem Schlamm ein keckes Krönchen
auf.
Ein leises Flirren
fährt durch die Menge, setzt sich wellenartig fort und erreicht schließlich auch
die Kämpfenden. Kaum merklich ist die Veränderung, so als sei eine andere
Tonart angeschlagen worden, bevor eine neue Melodie einsetzt. Bewegungen verlangsamen
sich, Arme senken und Blicke erheben sich. Schwer atmend stehen sich die
Widersacher einander gegenüber. Zwei Verwundete. Zwei Unverstandene. Zwei, die von
dem Wunsch beseelt sind, richtig zu handeln. Zwei, in denen ein Herz schlägt, das
sich nach Anerkennung sehnt, nach Verständnis und nach Zärtlichkeit.
...
Der Schauplatz ist
leer. Die Menge ging auseinander, als die einstigen Gegner sich die Hände reichten.
Jeder der Anwesenden trug das Gefühl nach Hause, Zeuge eines Wunders geworden
zu sein. Von allen unbeachtet steckten noch die Strippenzieher ihre Köpfe
zusammen, bevor auch sie nach Hause gingen. Allein auf dem Feld bleibt ein
zartes, weißes Federkrönchen zurück, bevor es sich vom Wind erfassen lässt und
dorthin schwebt, wo es gebraucht wird.