Einer der großen Schwachpunkte des Menschen ist es, sich weitestgehend von der Natur und von ihren Zyklen und Rhythmen abgekoppelt zu haben. Kontrolle hat die Kooperation derart abgelöst, dass wir in unserem Beherrschungswahn schließlich selbst zu Beherrschten geworden sind. Wenn wir uns aus den Kontrollmechanismen der globalen Großkonzerne befreien wollen, müssen wir in einen natürlichen Rhythmus zurückfinden und gewissermaßen mit der Zeit gehen, anstatt gegen sie anzukämpfen. Im Folgenden gibt es Inspirationen ganz praktischer Art, wie wir Schritt für Schritt aus der Konzernabhängigkeit herausfinden können, stattdessen kleine regionale Unternehmen unterstützen, auf bestimmte Konsumgüter verzichten, tauschen, teilen und vor allem wieder selber machen. Ein Artikel mit Maria Frank.
"Advent. Die Zeit schläft. Sie hat sich in die Federflaumen des Schnees oder in die Schlafhaube der Dezembernebel vermummt und fröstelt in Fieberträumen. Nur wenige Stunden des Tages schlägt sie die Augen auf, erwartungsvollausblickend nach des Verheißenen Ankunft. Advent!- So kann`s nicht bleiben, anders muss es werden; aber wer solldenn kommen?" So schreibt Peter Rosegger in seinem Buch "Weihnachten mit Peter Rosegger".
Ja, wer soll denn kommen? Ist es wirklich die Lösung, auf einen Retter, auf den Erlöser zu warten, der für uns den Wandel hin zu einer lebenswerteren Welt bringt? Ist es nicht besser, selbst mit anzufassen, um diese Welt zu einer friedlicheren, gesünderen, menschlicheren, gemeinwohlorientierteren, auf eine gute Gemeinschaft und Nachbarschaftausgerichteten Welt zu gestalten? Ist es nicht besser, diesen Erlöser, diesen Retter in uns selbst zu entwickeln und Positives in kleinen, relativ leicht durchführbaren Schritten umzusetzen, statt uns auf das Negative in den Medien und in aufgeregten nachmedialen Gesprächen zu fokussieren?
Diese Fragen stellen sich die Leserin Maria Frank und die Autorin Kerstin Chavent gemeinsam. In ihrer Zusammenarbeit wird es nun ganz konkret. Maria ist ein wahres Füllhorn für Ideen, konkret und im Kleinen wirksam zu werden. Sie fängt beim Naheliegendsten an: beim eigenen Lebenswandel, einer gesunden Ernährung, natürlichen Heilmitteln, einer möglichst autonomen Energiegewinnung und einer weitgehenden Unabhängigkeit von den globalen Konzernen. Hierbei geht es ihr nicht allein um die eigene Gesundheit, sondern ebenso um den Schutz der Natur und des Planeten wie um Hersteller und Verbraucher, die ohne Ausbeutung und Müllflut auskommen.
Es gibt diesbezüglich bereits viele Zellen des Wandels. Überall auf der Welt bemühen sich Einzelpersonen, Lebensgemeinschaften, Kommunen, aber auch Konzerne, Parteien und manche Behörden um einen Strukturwandel, der niemanden benachteiligt. Auch innerhalb des Systems sind gemeinwohlorientierte trojanische Pferde unterwegs und Mitarbeiter tätig, die mutig und menschlich vorangehen, damit die Natur erneut gesunden kann und die Erde als das geschützt und geehrt wird, was sie ist: unser aller Mutter.
Ankunft
Advent ist eine gute Zeit, in die Stille zu gehen und Einkehr zu halten, um neue Visionen zu entwickeln. Für viele bedeutet die zunehmende Dunkelheit Traurigkeit, Einsamkeit, Depression, Verlust. Die Natur zieht sich zurück, um im Verborgenen neue Kräfte zu sammeln. Als ein Teil der Natur ist auch der Mensch aufgefordert, die Dunkelheit anzunehmen, sich gewissermaßen mit ihr anzufreunden, um aus ihr neue Kraft zu schöpfen.
Im Winter ruht das Leben. Wir tun gut daran, uns eine Zeit der Muße, der Meditation und Innenschau zu gönnen. Wie die Tiere und Pflanzen können wir uns mehr Schlaf zukommen lassen. Den Advent können wir dafür nutzen, durchzuatmen, im Kerzenschein zusammenzusitzen, bewusst Licht und Dunkelheit wahrzunehmen und uns für Düfte, Musik und unsere Mitbewohner und Mitmenschen zu öffnen.
Advent – lateinisch das, was kommt – ist eine Einladung, das innere Licht wiederzuentdecken und sich auf einen neuen Anfang vorzubereiten. Etwas Neues kommt in die Welt, an dem wir teilnehmen können. Denn dann, wenn die Nächte am längsten sind, wird uns ein Licht geboren. Um daran zu glauben, müssen wir keiner Kirche angehören. Es reicht, den Kopf zu heben und in den Himmel zu schauen.
Mit der Zeit
Wer sich darauf einlässt, erfährt zu dieser Zeit des Jahres besonders intensiv die Bedeutung des Zyklischen, des ewigen Kreislaufes von Werden und Vergehen. Etwas Altes stirbt, etwas Neues wird geboren. Unabhängig davon, in welchem Zustand sich unsere Welt gerade befindet, unabhängig von allen äußeren Ereignissen wird uns die frohe Botschaft zuteil: Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. In diesem Bewusstsein kann aus Einsamkeit Geborgenheit erwachsen, aus Traurigkeit Zuversicht. Wir spüren: Wir sind Teile eines Netzes, aus dem wir nicht herausfallen können.
Um an die warme Jahreszeit zu erinnern, holen wir uns grüne Pflanzen ins Haus und zünden Feuer an. Vielleicht lesen wir uns wieder vor, veranstalten einen Bratapfel-Spiele-Abend, einen Maroni-am-Feuer-Röstabend oder einen Lucia-Schiffchen-schwimm-Abend am Bach. Wir ziehen Kerzen im Wasserbad, basteln Weihnachtskarten, backen Plätzchen und Lebkuchen und laden dazu Freunde und Nachbarn ein.
In den nördlichen Ländern gibt es die Tradition der Raunächte. Sie beginnen am 25. Dezember und enden am 6. Januar. In den dazwischenliegenden zwölf Tagen, so heißt es, kommen sich Diesseits und Jenseits besonders nah. Mancher stellt an den langen Abenden eine Kerze ins Fenster, die in die Nacht hinausleuchtet. Es ist der Moment der Räucherzeremonien, die die bösen Geister vertreiben sollen und die guten Geister willkommen heißen. Eine Geste voller Trost in einer Zeit, in der wir von allen guten Geistern verlassen zu sein scheinen. (2)
Die Träume und Inspirationen während dieser Nächte können uns neue Wege und Möglichkeiten aufzeigen. Wir können dreizehn Wünsche für das kommende Jahr auf je einen Zettel schreiben und zusammenfalten. Abend für Abend ziehen wir eines der Papiere, verbrennen es in einer kleinen Zeremonie und vertrauen darauf, dass das Leben sich des jeweiligen Wunsches annehmen wird. Am Ende bleibt ein Papier übrig. Auf ihm steht geschrieben, worum wir uns im kommenden Jahr selbst zu kümmern haben.
Wintergenuss
Vielleicht nehmen wir uns vor, uns im kommenden Jahr weniger abhängig von Geräten, Maschinen und Großkonzernen zu machen. Brauche ich im Winter einen Kühlschrank? Brauche ich Tiefgefrorenes? Muss die Heizung auf Hochtouren laufen? Ist weniger nicht mehr? Wer einmal damit anfängt, kann sich regelrecht dafür begeistern, gut für sich selbst zu sorgen.
Vielleicht fangen wir an zu handarbeiten, uns am Feuer Geschichten zu erzählen oder barfuß im Schnee zu laufen, um das Immunsystem anzuregen und uns unempfindlicher gegen Kälte zu machen. Vielleicht gewöhnen wir es uns an, in der Mittagspause oder am Wochenende warm eingepackt nach draußen zu gehen, Holz zu hacken oder lange Spaziergänge zu machen. Zurück im Haus gibt es dann vielleicht einen Tee mit Fichten- oder Kiefernnadeln, Zitrone und Honig oder eine heiße Holle aus im Sommer gepflückten und versafteten Holunderbeeren mit Orange und Honig.
Im Winter brauchen wir Warmes. Eintöpfe, dicke Suppen, im Ofen gebackene Aufläufe, Kompotte mit Gewürzen wie Ingwer, Kurkuma, Zimt und Pfeffer wärmen uns wieder auf. Pikante Gerichte schon am Morgen bieten Schutz vor Kälte und warme Zitrusfrüchte steigern die Abwehrkräfte. Typische Wintergewürze wie Wacholder, Nelke, Anis, Zimt, Vanille, Bertram, Galgant, Kardamom und Piment sorgen dafür, dass man sich auf die Winterküche freut.
Es muss nicht aufwändig sein, sich mit einfachem gutem Essen zu versorgen. Zum Frühstück ein warmer Getreidebrei mit Gewürzen, geriebenem Apfel, Nüssen und Trockenfrüchten, mittags Ofenkartoffeln aus dem Backrohr mit Knoblauch, Rosmarin, Salz und Pfeffer, warme Gemüsekuchen, Quiches und scharfe Gemüsecurrys am Abend, dazu ein gemischter Salat mit fein geschnittenem Zuckerhut, Winterrettich, Karotte und geriebenem Apfel, ein wenig getrocknete Pfefferminze, Melisse und geröstete Kerne.
Wandel geht durch den Magen
Schutz bekommen wir, indem wir mit der Jahreszeit gehen – und nicht, indem wir gegen sie ankämpfen. Nur was wir annehmen können, das lässt uns in Ruhe. So lassen wir den Winter in Ruhe sein Werk tun. Das Neue unter der gefrorenen Erde, unter der dichten Schneedecke wächst von ganz alleine heran. Darum müssen wir uns nicht kümmern. Was wir tun können ist, ein paar Dinge mehr in unserem Haushalt selber zu machen.
Wir können zum Beispiel Kürbiskerne nicht wegwerfen, sondern von dem faserigen Fruchtfleisch befreien, über Nacht in Wasser einlegen, abwaschen, auf einem sauberen Tuch trocknen, mit Olivenöl, Knoblauch, Salz und Gewürzen mischen und in einer zugdeckten Pfanne so lange bei hoher Temperatur rösten, bis der dunkle Kern erscheint. Wer sie ungeröstet verwenden will, kann sie – etwas mühsam - mit Hilfe eines Messers von den Schalen befreien und dabei über sein Leben im zu Ende gehenden Jahr nachdenken.
Eiligere machen, was wir als Kinder geliebt haben: Bratäpfel. Ganz einfach. Die Äpfel werden in der Mitte ausgehöhlt, mit Marmelade, Zimt und geriebenen Nüssen gefüllt und so lange in den Ofen geschoben, bis sie weich sind. Dazu gibt es vielleicht einen Apfelpunsch. Nelken, etwas Orangenschale, Zimtstangen und eventuell Lorbeerblätter werden in Wasser aufgekocht, mit naturtrübem Apfelsaft aufgefüllt und mit Honig gesüßt, bis es schmeckt. (3)
So gestärkt sind wir bereit für den Jahreswechsel und eine neue Zukunft, die aus der Vergangenheit heraus geboren wird. Bis es soweit ist, malen wir uns in den schönsten Farben aus, wie wir leben wollen. Kinder ans Werk! Holen wir die Stifte heraus, kleben wir Collagen. Was wollen im kommenden Jahr erleben und erschaffen? Wie soll unsere direkte Umwelt aussehen? Welche Ge - Schichten wollen wir hinter uns lassen? Welchen Herausforderungen wollen wir uns stellen, welche Aufgaben angehen? Wo wollen wir mutiger werden?
Auch wenn wir das eine oder das andere wieder aus den Augen verlieren: Unsere Gedanken und Visionen bleiben in der Welt. Das haben wir der aktuellen Realität entgegenzusetzen. Wir können nichts ungeschehen machen. Doch wir können schöne und leuchtende Visionen entwickeln und dort, wo wir gerade sind, eine Wirklichkeit schaffen, die die dunklen Ereignisse überstrahlt.
Quellen, Rezepte und Anmerkungen
(3) Noch zwei besondere Inspirationen von Maria :
Lucia-Gebäck mit Kurkuma
500 g Dinkelmehl Typ 630, 1 Prise Safranpulver, 1 gestrichener TL gemahlener Kurkuma, 200 g Milch, 60 g Butter, 40 g Hefe, 70 g Zucker, 40 g Rosinen wer mag, 1 Eigelb zum Bestreichen oder hinterher Puderzuckerglasur.
Kurkuma und Safran in der Milch auflösen. Mit allen Zutaten einen Hefeteig herstellen. Die Rosinen zum Schluss darunter arbeiten. Teig an einem warmen Ort abgedeckt gehen lassen. Kinderfaustgroße Stücke abstechen und wie ein S formen und dann die S-Enden eindrehen, so dass zwei Schnecken nebeneinander entstehen. Man kann auch nur eine
Schnecke drehen, oder noch andere Formen gestalten. Nach einer weiteren Gehzeit mit etwas mit Wasser verdünntem Eigelb einstreichen. Bei Umluft 170° C etwa 10 Min goldgelb backen.
Galgantherzen zum Verschenken
90 g weiche oder flüssige Butter, 120 g Rohrohrzucker (möglichst dunkel z.B. Rapadura), 1 Ei, 1 Prise Salz, 1 gehäufter Esslöffel Galgantwurzelpulver, 1 halber Teelöffel Backpulver, 400 g Vollkorndinkelmehl frisch gemahlen, dazu Hagebuttenmarmelade, Quittenmarmelade, eventuell ganz wenig kleinstgehackte Orangenschale auf ganz wenig geschmolzener Schokolade zum Garnieren.
Butter und Zucker rühren, Ei dazu und schaumig rühren, Salz und Galgant dazu, dann Mehl und Backpulver, kaltstellen. Teig 4 mm dünn auswellen und Herzchen ausstechen. Bei 190 ° 12 min etwa backen und dann mit Marmelade zusammenkleben und ggfs. mit Schoko und Orange garnieren. In größeren oder kleineren Schraubgläsern verschenken.